Edvard Grieg (1843–1907)
Sonate Nr. 3 c-moll op. 45 für Violine und Klavier (1886/87)
Allegro molto ed appassionato
Allegretto espressivo alla Romanza – Allegro molto
Allegro animato
Unter den Komponisten, die im Zeichen des im 19. Jahrhundert immer stärker um sich greifenden Nationalismus die Stimmen ihrer Völker in das bis dahin von französischen, italienischen, deutschen und österreichischen Werken dominierte Konzert der abendländischen Kunstmusik mischten, vertritt Edvard Grieg am prominentesten die skandinavische Halbinsel. Von seinem umfangreichen Schaffen hat nur weniges, darunter vor allem die erste der beiden Suiten aus der Schauspielmusik zu Henrik Ibsens »Peer Gynt« und das Klavierkonzert, bis heute ungebrochenes Ansehen bewahrt. Das meiste, etwa die 144 Lieder und die sechs Bände »Lyrische Stücke« für Klavier, galt lange Zeit als »Kitsch«, als »Kunstgewerbe«, weswegen diese Kompositionen aus den Konzertprogrammen – vielfach zu Unrecht – weitgehend verschwunden sind.
Gründe, sich Griegs Lebenslauf und kompositorische Eigenart in Erinnerung zu rufen, gibt es also genug. Geboren als Sohn eines Kaufmanns aus Bergen, kam Grieg über Anregung des berühmten norwegischen Geigers Ole Bull mit 15 Jahren ans Leipziger Konservatorium, wo neben anderen Ignaz Moscheles und Carl Reinecke seine Lehrer waren. In Kopenhagen, bei Nils Wilhelm Gade, setzte er seine Studien fort; entscheidend für seine Abkehr vom klassizistischen Akademismus und seine Hinwendung zur nordischen Folklore war die Begegnung mit dem jungverstorbenen Rikard Nordraak, dem Komponisten der norwegischen Nationalhymne. 1871 gründete er in Kristiania, dem heutigen Oslo, einen Musikverein, dessen Dirigent er bis 1880 war. Daneben unternahm er als Pianist und Dirigent zahlreiche Reisen. Freundschaften verbanden ihn mit Komponisten wie Franz Liszt, Johannes Brahms und Peter Tschaikowsky. Ab 1885 lebte er, gefördert durch ein Staatsstipendium, in seinem Landhaus Trolhaugen bei Bergen vorwiegend seinem Schaffen.
Dessen enger Bezug zur norwegischen Volksmusik wurde bereits erwähnt. Insbesondere ist es der Volkstanz, dessen ständig wiederholten, oftmals variierten Kurzfloskeln wir in Griegs Musik häufig begegnen. Außerdem ist diese durch eine phantasievolle, sehr eigenständige und oft fortschrittliche Harmonik und von einer Melodik, die durch ihre Vorliebe für das melodische (äolische) Moll charakterisiert ist, geprägt. Viel davon finden wir auch in der Violinsonate Nr. 3 in c-moll op. 45. Sie entstand in den Jahren 1886 und 1887 und wurde dem Münchner Maler Franz von Lenbach gewidmet, der Griegs Gattin Nina Hagerup porträtiert hatte.
Die Sonate ist im Grunde rein lyrischer Natur. Ihr Reichtum an melodischen Einfällen ist so groß, dass diese kaum komplizierten Verarbeitungstechniken unterworfen zu werden brauchen. Anders als etwa Brahms geht Grieg also nicht ökonomisch, sondern durchaus verschwenderisch mit seinen Einfällen um. Nicht zuletzt aufgrund dieser Missachtung der bürgerlichen Tugend der Sparsamkeit geriet seine Musik dann ja auch unter Kitschverdacht. Das Hauptthema des ersten Satzes ist in seiner bohrenden Wildheit das einzige, das nicht folkloristisch beeinflusst ist. Alle anderen Themen des Werkes können den Kategorien Lied und Tanz zugeordnet werden, wobei im zweiten Satz der Tanz von lyrischen Abschnitten umschlossen wird. Eine virtuose Stretta führt das Finale zu einem wirkungsvollen Abschluss in C-Dur.
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