China Moses

Nightintales Tour 2017

China Moses © Sylvain Norget

China Moses hat ihren eigenen Kopf. Den präsentiert sie auf dem Cover ihrer neuen CD »Nightintales« stolz im zeitlosen Afro-Look. Und pfeift damit auf alle modischen Erwartungen. Auch musikalisch verlässt die Sängerin mit ihrem Album vielfach eingetretene Pfade und führt den bluesigen Jazz stattdessen in neue Klanggefilde. Auf die Unterstützung durch mächtige Plattenfirmen, die mit Cover-Alben und Einheits-Sound gern auf Nummer sicher gehen, kann und will China Moses dabei nicht mehr zählen. Umso mehr haben es ihre neuen Stücke in sich, die sie allesamt mit Produzent Anthony Marshall selbst komponiert hat und die alle große Geschichten der Nacht entwerfen. Nach zwei gefeierten Auftritten an der Seite ihrer Mutter im Jahr 2015 präsentiert sich China Moses nun erstmals als Solo-Künstlerin im Wiener Konzerthaus.

Zahlreiche Geburten kennzeichnen das Leben der China Moses. Auf die Welt kam sie 1978 im sonnigen Kalifornien, als Tochter des Regisseurs Gilbert Moses und der Jazz-Diva Dee Dee Bridgewater. Im Alter von acht Jahren zog sie mit ihrer Mutter nach Paris. Und Europa, vor allem Frankreich, war mit seiner brodelnden Musikszene wie geschaffen für die vielfach begabte China. Als sie mit 16 Jahren jedoch Aufnahmen ihrer Mutter entdeckte, auf denen Dee Dee Bridgwater ebenfalls 16-jährig mit Scat-Soli ihre bereits in jungen Jahren herausragende Technik unter Beweis stellte, brach China ob der riesigen musikalischen Fußstapfen in Tränen aus. Aber Mutter Dee Dee beschwichtigte sie: »Ist doch egal, ob du Scatten kannst. Du hast dafür eine wunderbare tiefe Stimme, die ich nicht habe. Sei ganz einfach du selbst.» Bereits mit 18 veröffentlichte China Moses dann ihre erste Single. Es folgten die drei Alben »China» (1997), «On Tourne en Rond» (1999) und «Good Lovin’» (2004). Sie sang souligen French-Pop mit Ohrwurm-Qualitäten. Dank ihrer ausdruckstarken und redegewandten Persönlichkeit begann sie außerdem eine Karriere als MTV-Moderatorin. »Ich bin eine Mischung, ein Hybrid«, erklärt Moses heute ihre musikalische Abstammung. In Bezug auf Musiker wie Kamasi Washington, der ähnlich wie Moses selbst heftig an den Genre-Schubladen wackelt, meint sie weiter: »Ob Coltrane oder De La Soul oder Public Enemy – alles ist toll«. Und man müsse diesen Background als Quelle seiner eigenen Kreativität akzeptieren und nutzen.

China Moses (08/12/17 Großer Saal) © Julia Wesely

2008 kam es zur Geburt der Jazzsängerin China Moses. Gemeinsam mit Arrangeur Raphaël Lemonnier kreierte sie ein Tribut-Programm für die große Dinah Washington. Die daraus entstandene CD »This One’s For Dinah« veröffentlichte das legendäre Blue Note Label im Jahr 2008. Auch wenn Moses bis zum heutigen Tag behauptet, sie sei eigentlich gar keine Jazzsängerin, sprachen die Stücke dieses Albums eine deutlich andere Sprache. Moses zelebrierte sie mit ihrer wunderbar warmen Altstimme und versetzte sie mit viel persönlichem Charisma. Und auch das ebenfalls auf Blue Note veröffentliche Nachfolgeralbum »Crazy Blues« (2012) sprühte vor gesanglicher Stärke und war reich an facettenreichen Interpretationen zahlreicher Blues- und Soul-Klassiker. Schon damals bestand Moses jedoch drauf, »kein poliertes Jazz-Album machen« zu müssen. »Ich wollte etwas Warmes, was Spaß macht«. Das macht sie bis heute. Ob auf der Bühne zusammen mit ihrer Mutter oder im Jahr 2009 beim zauberhaften Disney Hit »Küss den Frosch«, bei dem sie der Prinzessin und deren Songs ihre famose Stimme lieh, oder an der Seite von Aloe Blacc im Jahr 2015 auf dem Jazzfestival in Istanbul, als sie mit dem ungewöhnlichen Programm »Sinatra & Lady Day« die Aufmerksamkeit auf die Freundschaft von Frank Sinatra und Billie Holiday lenkte.

China Moses (08/12/17 Großer Saal) © Julia Wesely

Mit ihrem neuen Werk »Nightintales« lässt China Moses nun ihrem musikalischen Eigensinn erstmals ohne jegliche Kompromisse freien Lauf. Zusammen mit Produzent Anthony Marshall, der mit Craig David schon dem modernen R&B auf die Sprünge half, wollte sie sich anfangs wieder an Standards versuchen. Jedoch dauerte es tatsächlich nur fünf Tage – und Nächte, und schon hatten die beiden genug neue Songs für ein ganzes Album geschrieben. Und vielleicht ist das das Geheimnis, warum die elf Kompositionen so herrlich frisch und ansteckend klingen. »Vieles entstand aus dem Moment heraus«, schwärmt Moses, »es sollte so live wie möglich klingen und doch so verdichtet  wie in den alten Jazzsongs«. Endlich muss sie sich an keinen Vorbildern mehr messen, sondern darf ganz sie selbst sein. So taucht sie ihren stets leicht angerauten Soul mit fingerschnippenden Grooves tief in verführerische Nachtclubsphären ein oder erweitert ihn zu hymnischen Balladen. Mal swingt Moses dank »Da da da daa«-Chor und Walking-Bass wie in den 50ern, dann aber lassen eine sanfte Hammond-Orgel oder ein funky knarzender Synthie auch Erinnerungen an die 60er und 70er Jahre aufkommen. Die Mischung jedoch ist derart virtuos, wie es wohl nur im Jahr 2017 möglich scheint. In »Hungover« etwa werden modern zerhackte Grooves, die man genauso aus der elektronischen Musik wie vom Gospel kennt, von einer exzellenten Band zu einem dampfenden Blues verarbeitet, der dann auf überwältigende Weise den Boden unter den Füßen verliert. »Du hast dich endlich gefunden«, sagte Dee Dee Bridgewater begeistert zum neuen Album ihrer Tochter. In der Tat: Es ist die Geburtsstunde der großen Künstlerin China Moses.

Thomas Schöffner (Abendprogrammheft 08/12/2017)

China Moses (08/12/17 Großer Saal) © Julia Wesely

08/12/2017 - Fr, 19.30 Uhr, Großer Saal

China Moses

»Nightintales Tour 2017«

China Moses Gesang

Josiah Woodson Trompete, Gitarre (Special Guest)

Luigi Grasso Saxophon

Ashley Henry Klavier

Neil Charles Bass

Marijus Aleksa Schlagzeug

Miguel Sanchez Tontechnik

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