Dmitri Schostakowitsch (1906–1975)
Fünf Stücke für zwei Violinen und Klavier
(Bearbeitung / Zusammenstellung: Levon Atowmjan)
Prelude (Nr. 7 aus der Filmmusik »Hornisse« op. 97a)
Gavotte (Nr. 2 aus der Ballettsuite Nr. 3)
Elegie (Nr. 4 aus der Ballettsuite Nr. 3)
Walzer (aus der Filmmusik »Das Märchen vom Popen und seinem Knecht Balda«)
Polka (Nr. 4 aus der Ballettsuite Nr. 1)
Trotz seiner Vorliebe für symphonische Musik überwiegen in Schostakowitschs Schaffen quantitativ seine rund vierzig Filmmusiken. Aus rund zwanzig Balletten und Filmpartituren ebenso wie aus der Oper »Die Nase« wurden Suiten zusammengestellt – die meisten jedoch nicht von Schostakowitsch selbst, sondern von befreundeten Komponisten und Dirigenten – darunter mehr als die Hälfte vom Musikwissenschaftler Lewon Atowmjan, der auch die Stücke für zwei Violinen und Klavier basierend auf Ballettsuiten und Filmmusik Schostakowitschs arrangiert hat.
Der Regisseur Kosinzew berichtet in seinen Memoiren, dass Schostakowitsch häufig den Wunsch geäußert hat, nachdem er eine besonders gelungene Filmmusik komponiert hatte, diese als Symphonie zu verarbeiten und dass er dies aus ungeklärten Gründen nie selbst verwirklichte. Als Hauptgrund für diese Bearbeitungen kann man den Aspekt der Aufführbarkeit heranziehen (das heißt die kommerzielle Rentabilität der Bühnenwerke, wenn sie auf Orchestersuiten reduziert werden). Es könnte auch als Kompromiss Schostakowitschs gegenüber den parteiischen Forderungen verstanden werden, als Versuch, diese zweckgebundene Musik als eigenständig zu präsentieren, wobei ihr eine Inhaltlichkeit im Sinne der Behörden durch die Assoziation mit Film oder Ballett gegeben wurde und dadurch die Voraussetzungen der Partei erfüllt waren. Schostakowitsch erzählte später, dass er überzeugt war, dass ihn nur Stalins Hochschätzung seiner Filmmusiken gerettet habe. Schon 1936 hatte ihn der Bannstrahl des Regimes getroffen und ihn und seine Familie in Lebensgefahr gebracht. 1948 folgte eine weitere Hetzkampagne durch das Zentralkomitee der KPdSU. Fortan ging Schostakowitsch, der weder zum Helden noch zum Märtyrer geschaffen war, in die innere Emigration, verlas, auch auf Auslandsreisen, zu denen man ihn als Repräsentanten der sowjetischen Musik zwang, vorgefertigte Erklärungen und Statements und erweckte damit außerhalb der Sowjetunion den falschen Eindruck von Regimetreue.
Die späten Jahre befreiten Schostakowitsch weitgehend von äußerem Druck, er erlebte schließlich die Wiederaufführung seiner Opern und wurde zum Vorsitzenden des sowjetischen Komponistenverbandes gewählt. Der innere Kampf blieb angesichts der politischen Zwänge bis zu seinem Lebensende bestehen. Was wirklich in ihm vorging, vertraute Schostakowitsch kryptisch seiner Musik.
Hélène Bernatchez / Alfred Beaujean
Moments Musicaux #35
Julian Rachlin Violine
Sarah McElravy Violine, Viola
Sophie Rachlin Klavier